English: This is an orange on a tree in Cyprus Deutsch: Dies ist eine Orange am Baum auf Zypern (Photo credit: Wikipedia)
Sehr geehrte Frau Stadtmüller, Sie als weit gereiste Person können unserem interessierten, deutschsprachigen Leser eventuell erklären, warum viele Menschen, die ebenfalls weit gereist sind und beruflich erfolgreich waren oder sind, Zypern als Wohn- oder Alterssitz wählen?
„Warum Deutsche sich gerne hier zur Ruhe setzen? Da gibt es recht unterschiedliche Gründe. Zum einen ist diese Insel nach wie vor landschaftlich sehr reizvoll; die Garantie schönem, milden bis heißem Wetters ist gegeben. Sicherheit ist ein Faktor, der noch gegeben, da Zypern eine niedrige Kriminalitätsrate – Gewalttaten, Diebstahl, Terror etc. – vorweisen kann. Die Verkehrsanbindungen an Europa, den Nahen Osten und Asien sind sehr gut.
Zum anderen mag viele das doch recht ruhige Leben, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, anlocken. Die immer noch große Gastfreundschaft macht das Eingewöhnen leicht. Wer die nonchalante Art nicht gleich als Unzuverlässigkeit auslegt, sich nicht von teils sehr unbürokratischem Umgang mit dem Gesetz schrecken lässt, die Regulierungswut in Deutschland nicht für allein gültig betrachtet und es vorzieht, bei einem zyprischen Kaffee oder Ouzo die kleinen und großen Probleme des Alltags zu lösen, kann hier sehr gut zurechtkommen.
Und gerade eben in der Krise beweist der Zyprer wieder einmal, dass er trotz alledem nicht vergisst, dass das Leben auch noch schöne Seiten hat und man erst recht mit Freunden und Familie die Zeit verbringt.“
Wenn ich richtig informiert bin, kommen und gehen Sie nach Zypern seit ungefähr 20 Jahren und mehr. Was würden Sie als die aus ihrer Sicht eindrücklichste Veränderung in diesem Zeitraum beschreiben, die sich an den Zyprern, in Zypern und/oder der Region vollzogen hat?
„Lassen Sie mich etwas ausholen zur Beantwortung dieser Frage.
Keine Frage, mein Leben wurde sicherlich in vielerlei Hinsicht durch die vielen Jahre im Ausland geprägt.
Anpassung an Neues wurde in frühen Jahren von mir erwartet, da ich mit meinen Eltern mehrfach innerhalb Deutschlands umzog, von einem Schulsystem zum anderen. Ein gewisses an Flexibilität, Rücksichtnahme anderen Menschen, anderen Kulturen gegenüber kamen ab meinem 13. Lebensjahr hinzu, als ich in ein Schweizer Internat kam, wo insgesamt 7 verschiedene Nationalitäten unter einem Dache Tag für Tag auskommen sollten. Mit 14 Jahren durfte ich dann fünf Sommer lang jeweils 2 Monate in Südfrankreich bei einer französischen Familie verbringen.
Das Allein-Reisen, mich Zurechtfinden in fremden Umgebungen, Einstellen auf ganz andere Gepflogenheiten bestimmten schon damals mein Leben. Dies alles fand ich aufregend, anregend und weckte eine große Abenteuerlust.
Der Einstieg ins Berufsleben fand dann zwar in meiner Heimatstadt statt, doch ich bekam einen interessanten Job bei der Messeleitung. Alle zwei Jahre veranstaltete man eine internationale Messe um den Schuh herum. Dies bedeutete, dass die Aussteller in der Überzahl aus dem Ausland kamen. Sprachkenntnisse, Organisationsvemögen, hohe Flexibilität waren tägliche Herausforderung. Es war zwar noch ein Leben „draußen“, aber eine sehr gute Schulung.
Dann landete ich per Zufall bei Fernsehn und Rundfunk in Saarbrücken. Erlernte das Metier von ganz unten sozusagen. Wieder waren es Einfügen, auf Menschen zugehen, Einstellen, Flexibilität, die man mitbringen musste.
Und dann kam der große Sprung nach „draußen“. Es wurde mir eine Stelle bei einem Projekt in Westafrika, wo in Kooperation mit der damaligen Gavi eine Radiostation aufgebaut wurde, angeboten.
Zuvor hatte ich noch für mehrere Wochen den Libanon und Syriern bereist, eine so ganz neue Welt entdeckt, um zum Ende der Reise noch mitzuerleben, wie der Bürgerkrieg ausbrach; und ein Paradies dem Niedergang anheim fiel.
Die ersten dreieinhalb Jahre in Benin, in der Hauptstadt Cotonou, beteiligt an einem großen Projekt, mit bis zu einhundert Männern arbeitend, als einzige Frau, das bedeutete Herausforderung in bis daher nicht erlebtem Maße. Hinzu kam die damalige Politik auf dem Schwarzen Kontinent, wo viele der noch recht jungen Staaten ihre Wege suchten, man auch hier sich vom Alten lösen wollte. Was im Falle von Benin bedeutete, dass wir als Erbauer aus einem kapitalistischen Lande, für ein sich dem Sozialismus – Kommunismus zuwendenden Staat arbeiten sollten. Ein Staat, der komplett im Umbruch war, zum großen Teile die „Weißen“ los werden wollte, ebenfalls die „Intellektuellen“ des eigenen Volkes verfolgte. Alles lief auf einen Bürgerkrieg zu, unsere Arbeitsbedingungen waren extrem kompliziert, die Bewegungsfreiheiten stark eingestellt und kontrolliert. Ein Ausstieg kam für mich jedoch nicht infrage, und so lange das Projekt weitergeführt wurde, wollte ich „an Bord“ sein.
Der Alltag war inzwischen hart geworden, als weiße Frau wurde ich auch schon mal beschimpft und mehr: gegen die Männer im Projekt selbst hatte ich gelernt mich durchzusetzen.
Mein Fazit nach dreieinhalb Jahren war schon damals, dass wohl nichts mich so rasch aus der Bahn werfen könne. Auch immer wieder auftretende Malaria, Typhus und andere gesundheitlichen Probleme, waren kein Hindernis, weiterhin zu versuchen, in der Welt herumzukommen.
Meine erste Ehe war zwar inzwischen geschieden, ich stand nun wirklich auf eigenen Beinen, konnte nun aber selbstbestimmt weiter voran gehen.
Ein Jahr in Rom und in Sizilien folgten. Da ging auch ein Traum in Erfüllung. Wer hatte schon die Chance, in der „Ewigen Stadt“ für mehrere Monate mehr als nur ein kurz verweilender Tourist zu sein? Mehrere Monate Sizilien brachten mir Geschichte, Sprache, Kultur, Mentalität dieses so von deutschen geschätzten Lands näher.
Mittlerweile wieder liiert, ging es weiter nach Zypern, wo vier Jahre Aufenthalt vorgesehen waren. Eine lange Verweildauer, Zeit um vielleicht wirklich mehr über dieses kleine Land, inzwischen zerrissen, zerrissen wie mein Heimatland, zu erfahren. Das Land war noch gezeichnet von den Ereignissen 1974, die Menschen schienen mir teils wie traumatisiert. Diese landschaftlich so vielseitige Insel mit nie endendem Sonnenschein, mildem Klima, hier das Meer, dort das Gebirge, bot Abwechslung, die Menschen boten Gastfreundschaft von natürlicher Art. Sei es ein Kaffee, zu dem man eingeladen wurde, ein Mandelzweig, eben erblüht, der einem zum Abschied überreicht wurde; oder dass man sich bei wildfremden Menschen im Orangenhain bedienen durfte, sich Tüten vollpacken konnte mit den herrlichen Früchten.
Und dann wieder eine Rigorosität, mit der einem klar gemacht wurde, dass man hier sich strikt an ihre Art zu halten hatte. Aus Deutschland kommend, doch durch die afrikanischen Jahre geschult, fiel es mir weniger auf, wie bescheiden zum Teil der Konsum noch war. Mitteleuropäischer Standard hatte hier noch nicht gegriffen. Aber es war gerade dies, dieses sehr ursprünglich Traditionelle, was mich ansprach.
Und doch lag permanent diese Zweiteilung der Insel wie eine graue Wolke über allem, war das permanent beherrschende Thema. Besonders wir als Ausländer sollten hier Stellung beziehen. Das grenzte teils an einen ‚Eiertanz‘, zumal wir das Glück hatten, durch den Diplomatenstatus, auch in den Norden zu können. Wir gewannen sogar Freunde unter den Zyperntürken, Freundschaften, die bis heute gehalten haben. Hier sah der Alltag noch einmal anders aus. Während im Süden die Wirtschaft aufwärts ging, stagnierte im Norden alles. Man war immer noch verzweifelt bemüht, eine Normalität herzustellen und vor allem mit den „neuen Herren im Hause“ zurechtkommen zu müssen. Die starke Präsenz des Militärs war äußerst unangenehm.
Und trotzdem waren es wunderbare vier Jahre. Mein Wissen um griechisch-römische Geschichte war um einiges erweitert, das mediterrane Leben von angenehmer Art und Mitteleuropa nicht zu weit weg.
Die nächste Station wurde wieder einmal ein afrikanisches Land. Diesmal Kamerun. Ebenfalls ein Land, das zumindest verwaltungs- und sprachmäßig in englischen und französischen Teil getrennt war. Abgesehen davon, waren noch sogenannte Sultanate, speziell im Osten und Norden des Landes, gesellschaftlich prägend. Wir selbst lebten in Douala, wo das Generalkonsulat das Aufgabengebiet meines Mannes war. Was letztendlich bedeutete, dass wir einen reinen Repräsentationsposten inne hatten.
Was wir hier vorfanden, war absolut nicht das, was man als ansprechend bezeichnen konnte. Was hieß, erst einmal das riesen Haus auf Vordermann bringen, ein neues Büro musste gesucht werden, da vorhandenes von Ratten bevölkert. Hinzu kam, dass man für den Mitarbeiter des Konsuls keinen Urlaubsersatz hatte; hier nahm man meist gute 8 – 10 Wochen seines Jahresurlaubs, also sprang ich ein. Nach kurzer Eingewöhnung bezüglich Volumen an Organisation im eigenen Hause, Einarbeiten im Büro, blieb noch Zeit genug, sich seinen privaten Bekanntenkreis aufzubauen, kleine Reisen, Ausflüge zu machen. Kamerun war ein abwechslungsreiches Land, hier die sprudelnde Hafen- und Handelsstadt Douala, dort bunt, laut, leider aber mit immer höherer Kriminalität.
Doch da ich stets lieber das Positive, Schöne sehe, waren es für mich gute Jahre. Ich reiste auch hier viel alleine im Lande, hatte mir inzwischen noch einen zweiten Job gesucht, und zwar das Projektleiterbüro der GTZ, welches jedes Jahr insgesamt für 4 Monate eine Vertretung der Leiterin brauchte. Das Betreuen der weit verstreuten Projekte im Lande bot Gelegenheit, tiefer vorzudringen in die Unterschiede der ethnischen Gruppen, des vertraut Werdens mit den islamischen Gruppen im Norden. Diese Gesellschaft war noch tief verwurzelt in den traditionellen Hierarchien. Trotz immenser Armut, bewunderte ich die Kameruner für ihre Lebensfreude, die Lust den kleinen Moment zu genießen, auszukosten. Schnell waren auch da die vier Jahre um.
Eigentlich wollten wir endlich einmal wieder zurück nach Deutschland, um nicht so ganz den Anschluss „daheim“ zu verlieren. Doch es kam anders. Man brauchte jemand im Nachbarland, Zentralafrika. Das war im Prinzip wie in den nächsten Ort ziehen. Trotzdem, eine neue Erfahrung. Hier lebten wir auf einem „Compount“. Was in diesem Falle ein riesiges Gelände mit dem Botschaftsgebäude, wo mehrere Appartements der entsandten Kollegen ebenfalls waren. Wir hatten etwas abseits im riesen Park mit alten Bäumen unseren Bungalow, in den ich vom ersten Moment an verliebt gewesen bin.
Was nicht trotzdem bedeutete, wieder einmal Generalüberholung zu machen. In diesem Falle: Fast 8 Monate auf einer Baustelle leben, da die Hauptstadt Bangui selbst sehr wenig bot, unser Bewegungsradius rigoros von amtswegen der Zentralafrikaner auf 10 km Umkreis beschränkt, lernte ich Golfspielen. Denn nur am Pool liegen, nur Lunches, Dinners und Empfänge vorbereiten, war wenig ausfüllend. Hinzu kam, dass es in Prinzip nur einen Supermarkt gab, wo man sich eindeckte, auch hier nur am Tag der „nouvelle arrivage“, wenn der Flieger Frisches aus Frankreich einflog.
Natürlich gab es auch hier viele Möglichkeiten, karitativ zu helfen. Irgendwann hatte ich dann auch ein „Sorgenkind“, er war Deutscher Mitte 50, in eine unschöne Mordgeschichte verwickelt und im Zentralgefängnis der Hauptstadt gelandet. War es sowieso Aufgabe der Botschaft, in solchen Fällen zu helfen, wusste ich ja aus meinen Jahren in Benin, wie Gefängnisse in Afrika von innen aussahen. Es wurde ein täglich Ritual, dass ich dort vorbeischaute, Essen mitbrachte, denn dies ist so in Gefängnissen dort, die Angehörigen müssen das tun. Bald war es jedenfalls für den, der zentralafrikanischen Justiz Ausgesetzten, wohl der kleine Lichtblick im Alltag, wenn ich wenigstens 10 Minuten mit ihm plaudern durfte, wir zusammen eine Zigarette rauchten, er seine Medikamente und auch eine Zeitung bekam. So zogen sich mit einer steten Monotonie die Tage, Wochen, Monate dahin.
Nicht dass es mich wirklich gestört hätte, es hatte etwas sehr Unwirkliches, so entfernt von dem Leben, das wo anders stattfand. Leider kam jedoch hinzu, dass gerade hier meine Gesundheit schlapp machte. Malaria und Parasiten plagten mich immer wieder. Mein Zustand war irgendwann so bedenklich, dass ich nach Deutschland ausreisen musste. Monatelang durfte ich mir die Tropenkliniken von innen ansehen, eine wirkliche Besserung trat im Allgemeinzustand nicht ein, ohne dass man jedoch herausfand, was Tatsache war.
Und wieder sollte es nach vier Jahren anders kommen, wie ursprünglich geplant. Inzwischen war die Berliner Mauer gefallen, der Osten hatte seinen Umbruch erlebt. Vorherige zur Sowjetunion gehörende Gebiete konnten nach langer Unterdrückung und Martyrium, ihre eigenen Staaten bilden, so auch die drei baltischen Länder. Dies hieß, dass auf einmal in mehreren Ländern neue Botschaften aufmachen mussten, ein großer Bedarf an Personal bestand und man da auf persönliche Wünsche nicht unbedingt Rücksicht nehmen konnte. Für uns hieß das, die nächsten Jahre in Litauen, der Hauptstadt Vilnius, unser Zuhause aufzuschlagen.
Krasser konnte eigentlich der Kontrast nicht ausfallen. Hier erst einmal Jahre in exotischen, afrikanischen Ländern und nun der Wechsel in ein eigentlich europäisches Land; und uns doch so fremd, fern geworden.
Etwas vertraut war mir der Osten Europas, kamen doch ein Teil meiner Vorfahren selbst aus dem heutigen Polen, aus der Gegend von Marienburg, hatten seit dem 15. Jahrhundert dort ihre Wurzeln, waren mal Deutsche, und seit langem Deutsche in Polen, hatten im Zweiten Weltkrieg selbst Verfolgung, zuletzt sogar Gefängnis erleben müssen. Somit war ich in etwa vorbereitet, auf das, was da geschichtlich auf mich zukam.
Und doch, ich war zutiefst betroffen, welch ein Land, ein Volk, welch Menschen, und deren Zustände, die ich dort antraf. Litauen selbst ein wunderbares Land, mit seinen unzähligen Seen, Wäldern, unter einem hohen Himmel. Wunderschöne Städte, Zeugen von mittelalterlicher Gotik, Vilnus selbst eine barocke Schönheit an den Ufern der Nerwa. Tiefe Kiefernwälder, kleine Dörfer mit bunten Holzhäusern, die liebevoll herausgeputzt mit dem so Wenigen, was man hatte. Hier die Schönheit der Vergangenheit, dort jedoch Verfall, Missachtung, besonders, was die Kirchen betraf. Hatte man doch aus ihnen meist Lager für Stahl, Holz und Sonstiges gemacht. Kleine Wunderwerke der Architektur trugen tiefe Wunden, so wie die Menschen selbst.
Die Menschen, die Menschen, das was sie verkörperten, war wie ein Schock für mich. Nach den Jahren in Afrika meinte ich, Elend, Armut gesehen zu haben. Doch, dass es hier wohl Nuancen gibt, das war neu. Nach dem bunten Afrika mit seiner Üppigkeit der Natur, den fröhlichen Menschen, bot Vilnius mitten in einem strahlend schönen Sommer ein graues Bild. Die Menschen trugen kaum Farben, meist einheitsgrau, braun; die Kinder mit den blassen Gesichtchen, tiefen Schatten unter den Augen, meist in Kleidchen steckend, wie sie mir aus den 50-er Jahren in Erinnerung waren. Die Geschäfte und Supermärkte zeichneten sich durch einen unangenehmen Einheitsgeruch, Leere in den Regalen und meist Schlangen von Menschen an einer Theke aus. Vieles war rationalisiert. Das Einzige, was man unbegrenzt kaufen konnte und es immer gab, waren Brot, Milch und Sauerrahm. Das Angebot an Obst und Gemüse trostlos. Nur der große Markt, der bot einen Hauch von Überfluss, aber auch nur, weil Hochsommer, die Leute die gesammelten Beeren der Wälder, die Pilze oder die Produkte aus ihren eigenen Gärten anbieten konnten. Hier bekam man auch Butter, ohne Bezugsschein, herrlichen Honig.
Aber dann mit anzusehen, wie ein kleines Mädchen seine erste Banane im Leben bekommt, ihr aus der Hand fällt und das kostbar erworbene im Sand zertreten wird, ihren Schmerz, den wir Konsum-Verwöhnten wohl kaum nachempfinden können.
Bei anbrechendem Herbst und Winter, da wurde die wahre Armut sichtbar. Da sind Tag für Tag mehr Bettler auf den Straßen gewesen; aber es sind die alten Menschen, die alten Frauen, die mit den Paar Rubeln nicht überleben konnten.
Bei Caritas und Rotem Kreuz nimmt man sodann gerne meine Mitarbeit an, um der immer anwachsenden Zahl von Bedürftigen Herr zu werden. Doch schon nach kurzer Zeit stoße ich hier auf eine Entwicklung innerhalb der Organisationen, die ich so nicht mittragen kann. Durch Zufall stoße ich auf eine junge Litauerin, die voll Idealismus und Engagement einen Platz in einer alten Kapelle in der Altstadt gefunden, wo sie sich um Obdachlose kümmert. Obwohl kein Strom, Wasser, Heizung ist sie jeden Tag vor Ort, versucht mit wenigen Mitteln auszuhelfen, weiterzuhelfen. Und so habe ich mein Betätigungsfeld gefunden. Dank großer Unterstützung aus Deutschland, Spenden an Kleidung, Decken, Medikamenten, die uns ein Spediteur kostenlos ins Land bringt, können wir zu zweit, bald zu dritt, täglich den Menschen der Straße, den vollkommen durchs raster Gefallenen, etwas ab und an weiterhelfen.
Natürlich stoßen wir auch hier an die Grenzen von Bürokratie, Zurückweisung von verschiedenen Seiten. Trotz inzwischen eisigem Winter, mit bis zu 20 Grad, lassen wir uns nicht entmutigen. Helfer habe ich inzwischen durch einen jungen Arzt, der in Leipzig studierte gefunden, einen Priester vom nahen Kloster können wir bewegen, uns ab und an die Klosterküche zur Verfügung zu stellen, dass wir Suppen austeilen können. Ein Unterfangen, dass nicht einfach, da in den Geschäften auf dem Markt kaum etwas zu finden. Matschige Kartoffeln, schrumpelige Möhren, Kohl, rote Beete, das sind die Zutaten, die hier wie auch privat den Speiseplan bestimmten.
Aber wir haben die Kultur, und welch ein Kulturangebot. All die unzähligen Galerien, da gehen die Türen auf und zu, es kommt die Schülerin mit dem Ranzen auf dem Rücken, es kommt die Hausfrau mit ihrem Kind an der Hand, das alte Mütterchen mit dem Kohl in der Tasche und alle scheinen sie von der Malerei etwas zu verstehen. Und erst die Konzerte, die Opern, keine Aufführung, kein Musik-Abend, ohne komplett volles Haus. Was sag ich? Da sitzen sie auf den Stufen, bis vorne an den Orchestergraben: Jung, alt, Kinder. intensivst verfolgen sie eine Ballettaufführung von höchstem Können. Die Sänger, teils, brauchen sich nicht hinter denen von Berlin, Zürich, Wien zu verstecken. Vielleicht das einzig Verblüffende: Im ersten Jahr werden alle Opern noch in Russisch gesungen.
Mein Betätigungsfeld hatte sich quasi über Nacht vergrößert. Der Landrat von Ignalina, da wo das allversorgende Atomkraftwerk steht, bat um Unterstützung seiner Selbsthilfegruppe. Hier war es besonders gravierend, hatten die ca. 200 russischen Familien, die im Atomkraftwerk beschäftigt, mehr oder weniger bei Nacht und Nebel das Land verlassen, jedoch viele Alte und vor allem an die 50 Kinder, meist sehr kleine, zurückgelassen. Welch engagierte, motivierte Frauen habe ich hier kennengelernt. Eine Zusammenarbeit, die konnte ich nicht ablehnen. So kam ich mal wieder viel alleine im Lande herum, traf Menschen in Kindertagesstätten, Behinderten- und Altenheimen, sah ein Elend, Gewalt wie nie zuvor.
Ich glaube im Nachhinein, dass ich hier wohl oft an persönliche Ränder stieß. Und doch waren es meine ‚reichsten‘ Jahre. Hinzu kam, dass man endlich herausgefunden, was mein gesundheitliches Problem, dass mich immer wieder schachmatt gesetzt, keiner erklären konnte, was der Grund. Nun hatte ich endlich die Diagnose. Zwar erforderte das von mir ein ziemliches Umdenken, einen anderen Lebensrhythmus, angepasst an die Schwäche der zerstörten Muskeln, die mir keine ‚volle Fahrt‘ mehr erlauben.
Nach diesen intensiven Jahren in Litauen ging es dann tatsächlich für drei Jahre zurück nach Bonn. Welch eine Erfahrung! Ich war die Fremde im eigenen Land geworden, so zumindest kam ich mir vor. Zu sehr hatte ich mich wohl verändert, meine Sicht aufs Leben, hatte selten mit der meiner ehemaligen Bekannten, teils Familie, zu tun. Darum war ich nicht traurig, als wir wieder raus konnten.
Noch einmal wurde es Zypern. Wieder ein anderes Zypern, ein reich gewordenes Land, ein Reichtum, der protzend daher kam. Die Menschen hatten sich mit dem Geld verändert. Die Werte waren nun verschoben. Aber das war ja ein Prozess, der nicht nur auf Zypern vorherrschte. Interessant war es, Beobachter zu sein bei dem Prozess der Vorbereitung und Aufnahme Zyperns in die Europäische Union. Stolz dazu zu gehören, doch wenig gewillt waren sie, die Regeln mitzuspielen, einzuhalten.
Vor allem interessant, sollten die Jahre nach Zypern uns doch ins Herz der EU führen, nach Brüssel selbst. Da am Puls, in der Mitte der Gestalter von einem Europa der Visionen, der Wünsche, der Utopisten und Mitläufer. Zu beobachten, welch einen Apparat man hier aufbaute, eine Zentrale von neuer Macht, von einem Spiel, dessen Ausgang wir nicht kennen, wohl kaum ahnen und kalkulieren können. Etwas Künstliches lag für mich immer über dieser Stadt, eine Atmosphäre wie auf einer großen Bühne.“
Sehr aufschlussreich, Ihre Ausführungen, Frau Stadtmüller. Wenn ich Sie richtig verstehe, stufen Sie Zypern und seine Bevölkerung eher zum europäischen Kulturkreis zugehörig ein. Bekanntlich gibt es Leute, die finden, es sei doch eher orientalisch. Wir haben heute den ersten Tag im Ramadan 2013. Denken Sie, dass der Norden Zyperns im Laufe der Zeit, genauer, seit Erdogan in der Türkei Ministerpräsident ist, religiöser, islamischer geworden ist – oder besuchen Sie den Norden etwa nicht?
„Ich war nach fünf Jahren des bequemen Lebens nicht abgeneigt, noch einmal etwas ganz Neues auszuprobieren. Mein Mann hatte sich entschieden, nicht die allgemeine Karriereleiter weiter hinauf zu steigen, was bedeutete, nun komme nur noch Paris, London, Washington infrage. Er meinte, man solle ruhig noch mal eine neue Erfahrung machen. In seinem Falle: Er hatte sich für ein Jahr Bagdad entschieden. Das war wirklich eine ganz andere Art des Berufes, wie bisher. Einmal für ihn, in ein Kriegsgebiet zu gehen, wo er letztendlich unter ständiger Gefahr war. Für mich hieß dies, nicht mitkommen zu können. Ein Experiment, eine neue Art von Leben, aber warum nicht, nur durch andere Formen von Leben, Neues wagen, kann man sich weiter entwickeln. Also hieß es für ihn, Bagdad; und ich hatte mich für Zypern entschieden. Das war nah an Irak. Das Land und Leute kannte ich, denn Berlin, inzwischen unsere Hauptstadt, nein, da wollte ich nicht hin. Also wieder mediterranes Leben.
Zypern und seine Bevölkerung dem Orient zuzuordnen, dies wär schlichtweg vereinfacht. Zypern ist bedingt durch seine geografische Lage, durch seine Geschichte immer beeinflusst worden von dem sogenannten Nahen Osten.
Die lange Zeit der Osmanen hat ihre Hinterlassenschaften, genauso aber die der Franzosen und nicht zu vergessen der Engländer. Das ist ein Erbe, das die Mentalität formt. Darum kann und mag ich nicht vereinfachen, verallgemeinern, denn dann müssten wir ja auch bei vielen der südlichen und östlichen Europastaaten die Frage aufwerfen, welch Geist dort die Menschen stark geprägt hat.
Den Nordteil Zypern besuche ich seit 1981. Einige Türkenzyprer, wie bereits gesagt, können wir zu unseren guten Freunden zählen. Somit ist unser Blick auf die sich dort stark verändernde Gesellschaft stets ein kritisch beobachtender gewesen. Der Einfluss des Islams hat sich fast schleichend vollzogen, lange nicht gerne wahrgenommen von den Zyprern. Aber seit der Machtergreifung von Erdogan in der Türkei und seiner immer mehr dem Islam zugewandten Politik, ist auch der Norden Zyperns mit einbezogen. Nie zuvor sah man so viele Frauen mit Kopftuch und nicht nur die umgesiedelten Anatolierinnen sind gemeint. Gerade auch in den Reihen des Militärs, dass sich ja auf diesem Streifen der Insel immer breiter macht, kann man täglich sehen, wie groß der Einfluss auch in religiöser Hinsicht vom Festland ist. Eine Fahrt durch die kleinen und großen Orte zeigt, dass das Anwachsen des Islams sich in Form neu erbauter Moscheen manifestiert.
Selbst zyperntürkische Frauen bekunden bei offiziellen Anlässen ihre Sympathie durch Tragen des Kopftuches und sogar von Handschuhen. Und wie man weiß, sind inzwischen die Türkenzyprer selbst in der Minderheit auf dem nördlichen Teil der Insel, und es ist unausweichlich, dass in jeder Hinsicht das Festland, die Türkei, die Vorgaben bestimmt.
Bernd, mein Ehemann, hatte also sein Ticket in den Irak gelöst für ein Jahr, und ich hatte mich für Zypern als Standort entschlossen. Eine Freundin bot uns ihr Ferienhaus auf dem Lande, nah am Meer an. Dies hieß für Bernd, der im Wechsel alle 6 Wochen ca. 14 Tage Urlaub bekam, um aus seinem „compount, dem Sicherheitstrakt“ herauszukommen, keine weite Anreise zu haben. Die Insel, Menschen und Kultur waren uns vertraut, und solch eine Konstellation konnte für lediglich ein Jahr gut machbar sein.
Und das war es dann auch wirklich. Überraschenderweise kam unsere eine Patentochter, verheiratet und mit drei kleinen Kindern, in unseren Fokus. Hatten sie und ihr Mann sich doch entschlossen, hier auf der Insel eine neue Zukunft aufzubauen. Da kam ein vollkommen neuer Aspekt in meinem Leben hinzu, Familie, so etwas wie „Großelternleben“ .
Welch Lehrstunden, sich so eng auf Kinder einzulassen. Lehrstunden waren es aber auch mit einer völlig neuen Tatsache umzugehen, der Tatsache, dass sich mein Mann in einem vom Bürgerkrieg dominierten Land befand. Da, wo täglich Gräueltaten an der Tagesordnung, da wo ein Menschenleben absolut nichts mehr zählt/e, Menschen sich für eine Sache in die Luft spreng/t/en, x-Andere mit in den Tod reißen. Ja dort, wo er in einem Hochsicherheitstrakt quasi geschützt war, sollte nicht viel passieren können. Und doch bei den täglichen Nachrichten gingen unweigerlich alle Antennen auf, wenn nur der Name Irak, Bagdad fiel. Die Ratio sagte einem, wusste, dass diese Meldungen nicht direkte Gefahr bedeuteten; und doch, Anspannung blieb nicht aus.
Doch wie immer in meinem Leben, war auch hier eine Routine aufzubauen, eine zu bewältigende Gegebenheit Alltag geworden. Aus dem einen Jahr wurden sogar zwei. Mittlerweile war ich umgezogen. Hatte einen komfortablen Bungalow an einem reizvollen Ort gefunden. Dadurch, dass Zypern in den letzten Jahren auf dem kulturellen Sektor einiges auf die Beine gestellt, gab es viel Abwechslung. Mein Bekanntenkreis hatte sich ebenfalls vergrößert, viele interessante Personen waren in meinen Kreis getreten. Für mich persönlich war es eine neue Erfahrung, hatte ich doch die meisten Personen nun als Irma und alleine kennen gelernt, war von ihnen als, die, die ich nun mal bin, angenommen worden. Mein Fazit nach diesen zwei Jahren war ein ganz positives. Hatte viele neue Bereiche erkundet, hatte eine „Familie“ dazu bekommen, die sich sogar noch erweitert hatte und nun vier liebenswerte junge Menschen mir ans Herz wachsen ließ. Wie bunt und vielseitig war diese Zeit auf Zypern geworden, dass schon ein kleines Bedauern an mir nagte, als es wieder einmal hieß: auf zu neuen Ufern!“
Frau Stadtmüller, Sie haben also hinter den Eisernen Vorhang geblickt und dort sich sozial engagiert, Sie haben, wenn ich so sagen darf, Ihren Ehegatten mit dem Irak in einem gefährlichen Einsatz geteilt, unter anderem. Wie ging es eigentlich weiter danach? Hat sich ihr Engagement für eine Sache auch in Zypern irgendwie ergeben?
Nach zwei Jahren Bagdad entschieden wir uns, dann fast schon zwingend, nach Syrien, Damaskus, zu gehen. Für mich ging ein ferner Traum in Erfüllung, den ich seit den Tagen 1975 gehegt, noch einmal in diese Region zurückzukehren. Welch Glück, diese Chance geboten zu bekommen.
Alles lief widerstandslos. Damaskus war zwar ebenfalls eine andere Stadt geworden, hatte aber immer noch den unglaublichen Charme, der mich damals so bezaubert hatte. So vieles entdeckte ich wieder, voll Freude hier für 4 Jahre leben zu können, eindringen zu können in dies so vielfältige, bunte Leben. Aber auch mit erleben zu müssen, wie ein Land unter einer Diktatur litt. Diese Stadt schien uns in allen Facetten willkommen zu heißen. Das Haus war ein Juwel, mein Garten zeigte die Vielfalt, die hier vorherrschte. Und die Menschen…, selten wurde wir mit soviel Wohlwollen, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft bedacht. Hier bedurfte es nicht, der sonst so bekannten Eingewöhnungszeit. So rasch hatte ich mich noch nie in einer Stadt so wohl, vertraut und auch sicher gefühlt.
Nach den ersten Monaten, die wie üblich dem Einrichten, sich Zurechtfinden, neue Menschen an sich herankommen lassen gewidmet war, wollte ich trotzdem meinen Geburtstag auf Zypern mit „unserer kleinen Familie“ verbringen. Darum flogen wir beide am 18.3.2011 nach Zypern, unser hübsches Zweithaus hatten wir behalten. Wie weise das war, sollte sich ganz schnell, leider allzu schnell, herausstellen. In dieser Zeit brach der Anfang eines noch nicht beendeten Bürgerkrieges aus. Innerhalb weniger Tage erging der Erlass, dass alle Familienangehörigen der Botschaftsleute das Land verlassen mussten.
Ja, und seit dem bin ich nie wieder in dieses Land „meiner Träume“ zurück gekommen. Dann schloss man Damaskus ganz, verlagerte die Verwaltung nach Beirut, wo mein Mann dann noch einige Monate zuständig war, und ich so mehrfach in den Libanon kam, alt bekannte Orte aufsuchte, ein wenig Orient schnupperte; aber nie wieder war es wie zuvor. Alles wurde überschattet vom Grauen in Syrien. Dies ist so geblieben, bis zum heutigen Tag.
Ich bin immer noch auf Zypern. Zwischenzeitlich begleitete ich meinen Mann auch für einige Monate nach Bordeaux, was endlich auch mal dazu führte, mehr von Frankreich kennen zu lernen – noch eine dieser schönen Ecken in der Welt.
Meine Situation ist letztendlich die selbe wie vor vier Jahren. Ich führe mein Inselleben, nicht das schlechteste; und mein Mann hat seinen Posten inzwischen in Kabul, Afghanistan, angetreten. Vielleicht nicht ganz so gefährlich, so brisant, wie der Irak oder Syrien. Aber eine kleine Anspannung, die bleibt, wie auch Bedauern, dass ich auch in dieses Land nicht meinen Fuß setzen darf. Alles, was ich darüber erfahre, wird abstrakt bleiben. Doch Eines ist gewiss, auch dies wäre ein Land, wo ich mich sehr wohlgefühlt hätte….ein kleines Bedauern bleibt, es sind viele Momente, die man getrennt erlebt.
Wie so oft, wenn wir befristet in einem Land weilen, etwas begonnen, auf den Weg gebracht haben, wird es speziell schwierig, bei Wohltätigkeits-Projekten dran zu bleiben. Da mir dies ja nicht neu, so hatte ich auch alle in Litauen darauf vorbereitet, Selbsthilfe zu üben, so weit nur möglich. Aber da zu jenem Zeitpunkt im Lande nach wie vor Mangel an allen Ecken und Enden, habe ich den Kontakt nicht abbrechen lassen, weiter dafür gesorgt, dass auch immer wieder mal materielle Hilfe einfloss. Aber letztendlich besteht heute nur noch ein loser Kontakt nach Vilnius, wenn wirklich Not, dann versuche ich, durch spezielle Aktionen immer mal zu helfen. Aber da ja Litauen inzwischen doch einiges besser dasteht, hat sich doch vieles zum Guten verändert.
Aber solch intensive Arbeit, wie dort, habe ich dann nicht mehr aufgenommen. Der Fokus richtete sich auf verschieden Anderes, nicht minder Wichtiges. Als wir 1999 zum zweiten Mal nach Zypern kamen, war hier wirtschaftlich eine „Hochzeit“, kaum sichtbarer Mangel.
Aber Missstände herrschten und herrschen ja immer noch, was die Tierhaltung betrifft. Das Problem wurde mir quasi vor die Tür gelegt. Und so war ich unversehens hineingezogen, nämlich in dem ich ausgesetzte Katzen und Hunde auffange. Glücklicherweise hatte sich ein zyprischer, junger Veterinär gerade in Nikosia niedergelassen. Er hatte in Wien studiert und praktiziert. Er hat aktuell wohl die beste Tierklinik vor Ort auf Zypern. Mit ihm fand ich einen sehr engagierten, für den Tierschutz eintretenden Menschen. Man könnte fast sagen, wir arbeiteten Hand in Hand. Wie viele Katzen gingen in den folgenden Jahren über seinen Operationstisch zum Neutralisieren, zum Überleben retten, haben wir nie gezählt. Dank ihm, wurden die Tiere meist weitervermittelt. Wenn das nicht möglich war, konnten sie wenigstens in Tierheimen unterkommen. All die Hunde, die wir in unserem Garten fanden, meistens junge Welpen, Würfe bis zu acht an der Zahl, wie viele angefahrene Hunde gerettet wurden vor dem Verenden im Straßengraben, ich weiß es nicht!
Doch es war das, was mir in dieser Zeit am Herzen lag, mir wichtig erschien. Gegenargumente, ob des „doch fragwürdigen Nutzens“ bekam ich oft genug, speziell von Zyprern. Aber es ist die leidende Kreatur, die mich berührt, wo ich meine, etwas tun zu müssen.
Aktuell gibt es kein soziales Engagement. Dafür mache ich seit vier Jahren eine für mich ganz neue Erfahrung. Ich bin quasi, wie bereits erwähnt, eine Ersatz-Oma für die vier Kinder meiner hier lebenden Patentochter geworden. Diese Aufgabe nehme ich sehr ernst, und es kommt in meinem Leben eigentlich immer wieder für mich auf den Punkt, die Erkenntnis, zurück: Da wo ich meine, mich einbringen zu können und zu sollen, da agiere ich!
Außerdem unterstütze ich meinen Mann, seit er in Bagdad war, dort Leuten unter die Arme greift, sei es materiell oder organisatorisch. Und durch das Debakel in Syrien, hat sich für uns der Kreis erweitert, wegen den Syrern, die uns so herzlich willkommen hießen, die Türen geöffnet hielten und heute an uns herantreten mit verschiedensten Belangen. Da helfen wir, so weit uns möglich. Da schöpft vor allem mein Mann Mittel aus, die ihm zugänglich; und so wie es aussieht, werden viele von diesen Leuten noch so manche Unterstützung brauchen.“
Frau Stadtmüller, wir bedanken uns für die den geistigen Horizont erweiternden Darstellungen und wünschen Ihnen, dass Ihr Mann Afghanistan schon bald hinter sich haben wird, damit sie beide gemeinsam glücklich und vereint, wie gehabt, dann schon bald in den Ruhestand gehen können.
Darf ich zuletzt noch fragen, ob Sie für Zypern, wie die jetzige Regierung Anastasiadis kundtut, um mit Helmut Kohl zu sprechen, ebenfalls „blühende Landschaften“ zukünftig sehen? Präsident Anastasiadis sagt, dass die Hilfszahlungen, die erneut und scheinbar ohne große Kritik an Zypern wiederholt ausbezahlt wurden kürzlich im Rahmen des Schuldentilgungs- bzw. Aufbauprogramms der EU etc., das Aufkommen und/oder Entstehen blühender Landschaften in Zypern bereits anzeigten.
Was spricht Ihrer Meinung noch gegen diese Behauptung, und was bereits dafür, wenn überhaupt?
Wie stand vor einigen Tagen in der Cyprus Mail geschrieben? Dem Tenor nach war es für mich so zu verstehen: Zwar sind derartige Dinge bereits ausgesprochen, doch heißt das noch lange nicht, dass sie in die Tat umgesetzt sind oder werden. Das ist halt so mit den Großmannsuchts–Träumen von Herrn Anastasiades & Co. Eine Fata Morgana schwebt am zyprischen Horizont und schon ist sie feste Realität für viele Politiker vor Ort. Vielleicht hat ja auch der oberste Kirchenhirte versprochen, dass Glaube Berge versetzt, sprich: Gas aus der Erde sprudelt.
Nein, die Realität sieht eher – noch – düster aus. Die Talsohle der Krise ist auch noch nicht erreicht. Noch scheint mancher hier gut Geld irgendwo gehortet zu haben, nicht bei den Banken, gibt es großzügig aus. Doch was, wenn auch diese Reserven aufgebraucht? Bis heute sind keine Programme für den letzteren Fall erkennbar. Wie werden all diejenigen durch die Krise gekommen, die entstandenen Problemen meistern?
Das beherrschende Thema ist die Bankenrettung, das zuvor erwähnte Erdgas, und wie der kleine Mann, die vielen Arbeitslosen, die wirklichen Verlierer der Krise also, unterstützt werden können. Wie kann so jemand wie die zuletzt Erwähnten wieder in Arbeit und Lohn gebracht werden? Das ist zumindest bis heute von niemand zu vernehmen.
Gerade vergangene Woche hat eine der größten Rating-Agenturen an Hand von Zahlen widerlegt, dass der Aufschwung in Zypern nicht wie behauptet 2015 kommt, sondern vor 2019 kein Aufschwung fühlbar ansteht. Somit werden die genannten „blühenden Landschaften“ vorerst und lediglich zu optisch sehen sein, nämlich dann, wenn Zypern genug Regen im Winter bekommt und die Insel so wunderbar ergrünt!